Als Oliver an diesem Tag aufwachte, hatte er ein komisches Gefühl in der Magengrube. Die Vögel, die fröhlich und munter an seinem Fenster vorbei flogen, schienen heute besonders gut drauf zu sein, denn sie alle zwitscherten ein anderes Lied. Es gefiel Olli. Mit müden, halb geöffneten Augen raffte er sich auf und blickte zum Wecker. Es war bereits Nachmittag. „Oh shit!“, stieß der Blauhaarige aus, stand auf und rannte ins Bad. Lange dauerte es nicht, saß er auch schon in der Küche auf einem Barhocker und verschlang schon fast die zweite Portion Cornflakes. „Was ist denn mit dir los? Zu lange wach geblieben gestern?“, frage ihn amüsiert eine raue Stimme von hinten. Es war Xx, sein bester Kumpel und auch einer seiner WG-Mitglieder. Oliver brummte auf und sah ihn emotionslos an, „Ha Ha, falls es dir entgangen ist, waren wir alle drei gemeinsam bis sechs Uhr unterwegs“, gab er zurück, grinste aber bei der Erinnerung. Sein Kumpel gähnte, streckte sich anschließend und holte aus dem Kühlschrank einen bereits geöffneten Orangensaft. „Ich bereue nicht.“, meinte er nur und verschwand wieder in seinem Zimmer. Oliver konnte nur lachen und fragte sich, ob ein Song das ganze festhalten konnte. Da dachte er schließlich an Cal. Das junge Ding hatte eindeutig eine Ader für die Musik. Hatte Rhythmus im Blut - wie man so schön sagte. Er hatte sich noch gar nicht richtig bedankt, damals, als er ihr im Park zufällig begegnet war und sie ihm half, den Song fertig zu schreiben. Olli schüttelte lachend den Kopf. Wäre sie damals nicht gewesen, dann hätten sie einen Song weniger spielen müssen, vermutlich. Er dachte nach. Der Tag war gut, die Vögel waren ebenfalls gut drauf... Eigentlich stünde dem nichts mehr im Wege, oder?
Keine zehn Minuten später, die Müslischüssel in der Spüle, Olli frisch umgezogen, war er bereits auf dem Weg zu ihrer High School. Woodrow Wilson High. Brachte Erinnerungen zurück - sowohl gute als auch schlechte. Ob sich viel dort geändert hatte? Vermutlich nicht... Aber das würde er ja bald erfahren, denn sein Auto blieb weniger Meter von der Schule entfernt stehen. Es wirkte im Nachhinein doch schwieriger hineinzugehen, als anfangs angenommen. Wenn er jetzt noch xx und xx dabei gehabt hätte, hätten die beiden sich wohl über sein sentimentales Sein totgelacht und im Anschluss dann doch genauso empfunden wie er. Die Zeit war immer nur dann am schönsten, wenn sie dabei gewesen waren... Er stellte den Motor ab und stieg aus. Die Luft war frisch, eine leichte Brise lies die Blätter in den Bäumen rascheln. Mit suchendem Blick trat er auf das Schulgelände und sah sich um. Die Glocke hatte noch nicht geläutet, also war Cal auch noch nicht draußen gewesen.
Oliver sah sich das Schulgebäude einmal an, Risse zogen sich über die gesamte Außenmauer. Jetzt wurde Oliver doch ein wenig neugierig... Hatten sie vielleicht innen renoviert? Er zuckte mit den Schultern, er könnte auch innerhalb der Schule auf die hübsche Blondine warten oder sie erschrecken? Oder ging oder zu weit? Mit selbstbewusstem Gang trat er über die Haupttür hinein, der allgegenwärtige Geruch von Hormonen, Essen und Schweiss zog sich durch die Gänge. Die Schließfächer waren noch die selben, wobei manche vom Farbton her heller wirkten. „Das sind wohl die neueren...“, sprach er leise zu sich selbst. Oliver bekam gar nicht mit, dass die Schulglocke das Ende des Tages herbei rief und so manche Schüler ihn schief ansahen. Manche Mädchen tuschelten, lachten leide und sahen ihm hinterher. Waren es die blauen Haare? Vielleicht. In der Vitrine hatte er gerade eine Auszeichnung für die Schulband entdeckt, an der er damals leider noch nicht beteiligt war, auch wenn er damals zu ihnen aufgesehen hatte. Er erinnerte sich noch gut, als er fragte, ob er ein Teil sein durfte. Sie hatten gelacht, doch nahmen ihn auf, um ihn zu unterweisen. Immerhin hatte der kleine Olli keine Ahnung von Auftreten und Bühnenshow. In der Spiegelung des Schrankes sah er sie. Cal war mit ihren Freunden unterwegs, aber wir käme es rüber, wenn er ihnen hinterher lief? Also tat er das einzige, was in diesem Moment für den Blauhaarigen Sinn machte: er drehte sich um, hob die eine Hand und formte mit der anderen eine Art Megafon. „Hey Cal!“, rief er und schwang die Hand von der einen Seite in die andere. Dass er dabei so ziemlich die ganze Aufmerksamkeit der anderen Schüler im Gang auf sich zog, war ihm egal gewesen.